Eine Woche ist nun seit dem Start unserer Familien-Radreise am Kölner Rheinufer vergangen und schon werden wir auf die Probe gestellt. Seit vier Tagen sitzen wir nun in Münster fest. Es könnte schlimmer sein aber auch sehr viel schöner.
Ich gebe es zu: Es war ein Risiko, gesundheitlich noch leicht angeschlagen in die ganze Sache zu starten. Aber ich befand mich nach einer dicken Erkältung auf dem berühmten, verheißungsvollen aufsteigenden Ast und wir hatten nun mal alle Vorbereitungen genau auf unseren Abfahrtstag ausgerichtet. Die Wohnung war schon komplett ausgeräumt, die Unterkünfte bis 10 Tage im Voraus gebucht. Wir wollten einfach unbedingt los. Und mir ging es dann auch täglich besser, bis ich in Haltern am See doch wieder mit dichten Nasennebenhöhlen und schmerzenden Gliedern aufwachte. So ein verdammter Mist.
Die Stimmen der Geister
Wir legten unsere bis dato zweite kleine Zugetappe ein und schafften es noch bis Münster in die Ferienwohnung, wo ich dann aber endgültig schlapp machte und mich nur noch ins Bett schmeißen konnte. Und da waren sie auch schon sperrangelweit offen; Tür und Tor für alle Zweifel an dem Gesamtprojekt. Ein fiebriges Häufchen Elend, wie ich es war, konnte ich nun keine Fahne mehr oben halten und ließ mich dafür runter ziehen von den Stimmen der Geister: Selber Schuld! Das hättet ihr euch doch vorher überlegen können! Kein Wunder! Unverantwortlich! Schrecklich, wie sehr man sich selbst fertig machen kann.
Es war und ist nicht leicht. Unser Hauptproblem war das Dach über dem Kopf. Nach zwei Nächten mussten wir raus aus der Ferienwohnung und ich war nicht transportfähig. Und dank der Osterferien war und ist in Münster kaum etwas brauchbares frei. Stress pur, war das. Auch weil Flo alle Hände voll mit den Kindern zu tun hatte und ich bei schlechtester Internetverbindung und heftigen Kopfschmerzen Schwierigkeiten hatte, anständig zu recherchieren.
Ziemlich viel Glück im Unglück
Schlussendlich hatten wir mega Glück und bekamen bis Dienstag noch was in der Jugendherberge Münster, weil wohl jemand kurzfristig storniert hatte. Von hier (kostenfreies WLAN – Juhu) schreibe ich nun auch. Wir bekommen hier Frühstück und warmes Abendessen, Flo ist mehrmals täglich mit den Kindern draußen, sodass ich schlafen kann – wir kommen soweit klar. Aber wir wollen eine Anschlusslösung, die eine vollständige Genesung ermöglicht. Ich will mit voller Energie weiterfahren und nicht mit der ständigen Angst, etwas zu verschleppen und immer wieder Zwangspausen einlegen zu müssen.
Der Plan ist, morgen erst mal hier zum Arzt zu gehen und am Dienstag mit dem Zug nach Osnabrück (liegt auf der Route) in die Jugendherberge zu fahren, die wundersamer Weise eine ganze Woche lang über Ostern Platz für uns hat. Zudem freuen sich meine Eltern, dass sie ihren Wunsch, uns unterwegs mal besuchen zu dürfen, erfüllt bekommen: Für 4 Tage werden sie uns in Osnabrück unterstützen und mit uns Ostern feiern.
Krisen sind so wertvoll
Soweit so gut. Mittlerweile weht wieder ein leicht optimistischer Wind aber ja, wir haben wirklich gelitten die letzten Tage und schämten uns gleichzeitig dafür. Warum auch immer. Auch dank lieber Menschen, die durch Telefonate, Nachrichten und konkrete Hilfestellungen ihren Support ausdrückten, haben wir jetzt wieder Selbstvertrauen getankt und auch so viel gelernt. Über uns selbst vor allem. Wie so oft, hilft der Blick auf das große Ganze. Wir haben vieles aber definitiv keinen Zeitdruck. Auch wissen wir von erfahrenen Radreisenden, dass krankheitsbedingte Pausen kein Beinbruch und noch weniger ein Grund zum Abbruch sind. Also bleibt die Kirche im Dorf und wir – in variierendem Tempo – auf unserem Weg nach Norden.