Eine Szene: Ich liege alleine im Bett, die durch die orangenen Vorhänge gefilterten Sonnenstrahlen tauchen unser Jugendherbergs-Zimmer in warmes Yogastudio-Licht. Durch das gekippte Fenster höre ich, leicht entfernt, meine Tochter lachen und „Opa, komm!“ rufen. Neben mir dampft mein gerade aufgegossener Kamillentee und ich spüre Frieden und tiefe Entspannung in mir. Das erste Mal seit ich auf unserer Tour krank geworden war.
Es ist schon ein bisschen zum Schmunzeln. Als meine Eltern vor der Reise mal äußerten, dass sie uns gerne unterwegs besuchen würden, habe ich erst mal abgewunken und lange Reden geschwungen davon, dass sie mich loslassen müssen und wir unsere Freiheit brauchen weil wir uns ja schließlich finden wollen. Dass ich sie dann schon nach zwei Wochen – ganz krank und klein mit Hut – selbst zu uns rufen würde, hätte ich wirklich nicht gedacht. Auch nicht, dass ich ihre Anwesenheit derart genießen und auch ernsthaft brauchen würde.
Gemeinschaft – ist das was für uns?
In den vergangenen paar Tagen ist durch all das ein Thema bei uns präsent geworden, mit dem wir uns schon vor einem Jahr recht intensiv beschäftigt haben: Gemeinschaft. Also eine Gruppe von Menschen, die sich zusammen tut, um in einem Haus, auf einem Hof oder einem Dorf in gewisser Nähe zueinander zu wohnen plus X.
Es gibt mittlerweile recht viele davon, ob es nun das Mehrgenerationen-Wohnen oder das Ökodorf ist; meist entsteht so etwas aus dem Gedanken heraus, dass Gemeinschaft eine Lebensform sein kann, in der ihre Mitglieder voneinander profitieren und sogenannte Synergien entstehen können. Das alles ist keine wirklich neue Idee, man denke an die Kommunen der Siebziger. Neu daran ist, dass auch immer mehr „Normalos“ Interesse an alternativen Wohnformen haben. So wie wir ;-)!
Typische Vorbehalte
Das Problem: ich bin bei der Sache ambivalent. Denn ich lege sehr, sehr viel Wert auf Freiraum und Selbstbestimmung und brauche recht viel Zeit mit mir alleine, um wieder „zu mir“ und überhaupt klarzukommen. All das ist seit ich Kinder habe noch wertvoller weil extrem selten geworden. Zudem bin ich aber auch harmoniebedürftig und versuche instinktiv „es allen recht zu machen“ (ich arbeite daran, diese Eigenschaft in den Griff zu bekommen…).
Diese Mischung führte in der Vergangenheit dazu, dass WG-Leben in der Studizeit für mich eine manchmal anstrengende Sache war und nur da gut funktionierte, wo ich das Glück hatte, mit feinfühligen und auch ihren Freiraum brauchenden Mitbewohnerinnen zusammen zu wohnen. Ich kenne viele, die am Ende ihres Studiums feierlich verkündeten, dass sie jetzt echt „zu alt für den Scheiß“ geworden seien und sich unglaublich auf die erste eigene Bude freuten, wo sie sich endlich mal nicht mit fremden Haaren in der Dusche arrangieren müssten. Jetzt wohnen die meisten mit ihrem Partner, Kindern oder alleine, wie auch wir.
Die Vorbehalte, die man bezüglich Gemeinschaftswohnen haben kann, kenne ich also gut: Im Zentrum steht eine allgemeine, vage Befürchtung, dass du dich irgendwie übermäßig anpassen, auseinandersetzen, streiten musst. Dass irgendwer Erwartungen an dich hat, die du nicht erfüllen willst oder kannst, dass du mit einem frühstücken musst, der stinkt.
Dem Familien-Burnout vorbeugen
Soweit so gut. In den letzten Tagen passierte aber etwas in uns. Außerhalb der vertrauten vier Wände und des Westentaschen-Veedels fühlte es sich wirklich bedrohlich an, eine Kleinfamilie mit kranker Mutter zu sein. Unsere Energie-Akkus gingen schneller leer als gewohnt, wir zickten uns mehr an als gewohnt und ich wurde sehr viel langsamer gesund als gewohnt. Im Kontrast dazu dann die unglaubliche Erleichterung, als Hilfe kam und sich alle Sorgen, Aufgaben und Kinder auf mehrere Leute verteilten.
Natürlich überspitzten die besonderen Reiseumstände diese Situation aber manchmal machen einem Überspitzungen etwas besonders bewusst. Grundlegende Gesetzmäßigkeiten wie: wenn es Not gibt und du bist allein = bedrohlich. Isoliert sein kann gefährlich werden – ob schleichend oder akut – für die Partnerschaft, den Seelenfrieden, den Körper und nicht zuletzt deine Kinder, die ja auf dich angewiesen sind.
Eines ist sicher…
Meine Ambivalenz hat sich also aufgelöst weil ich die Eingebung hatte, dass ich vielleicht gerade als Person mit einem großen Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Freiraum unbedingt dieses sprichwörtliche Dorf brauche, dass nicht nur meine Kinder mit erzieht, sondern auch insgesamt gegenseitige Entlastung schafft. Bis jetzt war es für uns auch eine Option von vielen gewesen, sich ganz alleine, im Natur-Nirgendwo nieder zu lassen, wo wir Ruhe haben und Immobilien bezahlbar sind. Trommelwirbel….tatata-taaaa: die erste Gewissheit schaffende Antwort am Wegesrand ist gefunden: Das werden wir AUF GAR KEINEN FALL tun! Zumindest nicht, solange wir Kinder im Haus haben. Der Wert von Menschen in der Nähe, die uns wirklich verbunden sind, ist in unserem Ranking mehrere Plätze nach oben gerutscht. Wenn es sich ergibt, wollen wir auf unserer Reise auch gerne die eine oder andere Gemeinschaft besuchen und uns weiter inspirieren lassen.
Fotos von oben nach unten: abfotografiert aus „der Maulwurf nach dem Regen“ von Zdenek Miler, Haus: Lena Lindell auf Pixabay