Elternzeit Radreise : Zurück auf dem Sattel (Story 9)

„Oh my God, we’re back again…“ Das war das erste, das Flo in den Kopf schoss, als wir letzten Sonntag in Bremen wieder zu unserer ersten reinen Fahrradetappe seit über zwei Wochen starteten. Die Backstreet Boys blieben mir bis zum Ziel im Ohr und die optimistische Laune hält bis heute an.

Nach vier Etappen, die wir nun wieder auf unsere Lieblingsart bewältigen durften, hat sich fast schon eine Reiseroutine eingestellt. Es hat sich gezeigt, dass es am besten funktioniert wenn wir den Löwenanteil der Tageskilometer gleich am Anfang und in einem Rutsch schaffen. Wenn man unsere Kleinen um ca. 10:30 Uhr in den Anhänger setzt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie erst gemütlich ein bisschen rumsitzen, -knabbern, -singen und dann bis zu 2 Stunden gemeinsam genüsslich ratzen. Voraussetzung dafür, dass das klappt, ist: Action und Satisfaction am Morgen. Also wenig Fahrtags-Stress und Zeitdruck aufkommen lassen, rausgehen, spielen, toben, müde machen.

Dafür eignet sich am besten eine klare Arbeitsteilung: Einer geht nach einem ausgiebigen Frühstück mit Beiden raus, der Andere darf voll konzentriert und effizient herumwirbeln und alles zusammen packen. Das zu erledigen wenn alle in einem Raum sind à la „Darf ich mal kurz…?!“, „Mause, jetzt NICHT!“ und „Wäääääääh!“, ist einfach zu chaotisch und kräfteraubend. Wenn wir dann schließlich losrollen, ist es oberste Priorität, sich nicht zu verfahren und erst mal auch nicht mehr anzuhalten (Aufwach-Gefahr!). Deshalb hat jetzt jeder standardmäßig einen Power-Riegel in der Lenkertasche, damit das erste Loch im Bauch auch während der Fahrt gefüllt werden kann.

Moin, neues Bundesland!

Auf diese Weise haben wir Worpswede, Basdahl, und Hemmoor ohne irgendwelche Zwischenfälle erreicht und gestern nun mit der Elbfähre Schleswig-Holstein geentert, um uns für drei Tage in Glückstadt einzunisten. JA: Glückstadt. Es ist mir ein Rätsel, warum mir eine Stadt mit diesem Namen bisher unbekannt war. Da hat die ansässige Marketingabteilung sich wohl ein bisschen zu sehr dem Matjes-Thema gewidmet, vermute ich. Wechselhaftes Wind-Sonne-Regen-Wetter und eine Jugendherberge mit Blick auf hübsche, im Hafen liegende Segelboote geben uns zum ersten Mal so ein richtiges Nord-Gefühl. Am Anfang verwirrte mich das allgegenwärtige Schreien der Möwen weil ich es im Wind kaum vom Schreien meines Sohnes unterscheiden konnte ;-).

Jedenfalls ticken die Uhren hier anders. Und die Leute auch. Als wir uns noch an der Fähre in einer kleinen Container-Gastronomie namens „Happy Town Beach Club“ aufwärmten und die Wirtin fragten, warum hier denn keines dieser „Willkommen in Schleswig-Holstein“-Schilder stände, antwortete sie trocken: „Nö, ihr seid hier auch nich willkomm.“ Danach lachten sie und ihr Zeitung lesender Sidekick jedoch herzlich und Mause durfte sich ein Teil aus dem Gebrauchtspielzeug-Körbchen aussuchen.

Jugendherbergen sind Familienherbergen

Wir sind wirklich recht glücklich hier in Glückstadt. Wie bisher fast immer, fühlen wir uns total wohl in der Jugendherberge. Nach mittlerweile 9 Aufenthalten hat sich mein Bild von diesen Unterkünften, das ich noch aus meiner eigenen Schulzeit hatte, radikal geändert. Vorbei ist es mit dem verdünnten Früchtetee und den versifften Matratzen. Dafür genießt man WLAN, Cappuccino und reichhaltige Buffets inklusive allem veganen und glutenfreien Pipapo. Ich mag die immer sauberen, minimalistisch aber praktisch eingerichteten Familienzimmer ohne die geschmacklosen, schief hängenden Bilder an der Wand, wie man sie in so manchen, doppelt so teuren Hotels oder Pensionen vorfindet.

Come as you are

Gut zu wissen: Als Familie mit Kindern unter 3 zahlt man nur für die Erwachsenen und zwar den vergünstigten Preis, der eigentlich nur unter 27-jährigen vorbehalten ist. Familienfreundlichkeit wird hier groß geschrieben; man wird mit Wickelunterlage, Waschbecken-Hocker und Reisebett versorgt. Letzteres ist besonders für Mause eine feine Sache weil die Dinger eigentlich überall gleich aussehen und sie sich jedes Mal schon auf ihr Bettchen freut. Meist gibt es einen Spielplatz hinterm Haus, manchmal auch Spielzimmer drinnen und mindestens Puzzles und Bücher zum Ausleihen. Wirklich Gold wert ist das, wenn man zum Beispiel die Stunde Leerlauf zwischen Abendessen und schlafen gehen überbrücken muss. Insgesamt kann man sich hier mit Kindern einfach locker machen. Keiner guckt einen schief an wenn der Nachwuchs Lärm, Dreck (oder Gestank) macht. Die sind mit pubertierenden Schulklassen ganz anderes Gewusel gewohnt.

Es herrscht eine „come as you are“-Stimmung, die Jogginghose und Schlappen beim Essen erlaubt. Die Angestellten sind irgendwie immer nett und extrem hilfsbereit. Für uns wurden schon Kinderärzte recherchiert, Dokumente gedruckt und Wäsche gewaschen. Danke, liebe Jugendherbergen!

Nun bleiben uns noch vier Etappen und dann schreibe ich das nächste Mal vielleicht schon aus Eckernförde :-)!