Elternzeit Radreise : Die Generalprobe (Story 5)

„Ich will das nochmal machen, im Schlafsack schlafen in der Jungsherberge…“ – nach Mauses Ermessen war unsere Probetour nach Bonn ein voller Erfolg. Das finden wir auch, obwohl oder gerade weil wir eine DIN A4-Seite wichtiger Erkenntnisse mit nach Hause gebracht haben.

Die wohl wichtigste ist, dass wir uns bei der Routenplanung nicht nur den Kilometern sondern noch intensiver den Höhenmetern einer Strecke widmen sollten. Rollt unser Tross auf ebenen Wegen fast wie von selbst, wird das Fahren bei der kleinsten Erhebung in der Landschaft zu einer schweißtreibenden Psycho-Grenzerfahrung. Denn wir wissen jetzt: Wir sind schwer. Verdammt schwer. Auch wenn wir minimalistisch gepackt haben sind wir immer noch vier Menschen und zwei davon helfen nicht mit beim Fortbewegen.

Wir sind da nicht blauäugig dran gegangen. Unser hohes Gesamtgewicht war überhaupt erst der Grund, warum wir uns als Reise-Himmelsrichtung den Norden ausgesucht haben und nicht, wie man meinen könnte, den tendenziell wetter-freundlicheren Süden. Wir wollten flaches Land zum Dahingleiten.

Ein Berg in Bonn

Doch auch im Flachland gibt es mal ein Hügelchen, das auf eine Autobahnbrücke führt oder eben Jugendherbergen, die in mitten wunderschöner Natur auf dem Bonner Venusberg liegen. Ja, ein Berg in Bonn. Den kannte ich bis dato noch nicht. Auf dem letzten Kilometer, mit voreiliger Siegesstimmung lernte ich ihn dann kennen und musste selbst beim Schieben immer wieder Pausen machen.

Aber alles halb so wild. Es war erst früher Nachmittag und wir hatten genug Müsliriegel dabei aber ein nachhaltiges Aha-Erlebnis war das schon. Es macht einen krasseren Unterschied als wir dachten, ob man sich allein eine Steigung hoch kämpft oder eine ganze Familie dabei hat. Ab jetzt eine goldene Regel: bei Etappen mit irgendwelchen nennenswerten Höhenmetern: noch weniger Kilometer vornehmen!

Kinderfreundlich oder nicht?

Wider erwarten war es kein Problem, zu viert gemeinsam in einem kleinen Raum Zeit zu verbringen und zu schlafen. Im Gegenteil: selten sind unsere Kinder so unkompliziert eingeschlafen. Auch die Nacht war entspannt. Wir hatten das Gefühl, dass die beiden unsere Nähe genossen und sich wie in einer gemütlichen Höhle voller vertrauter Stimmen und Nebengeräusche richtig wohl fühlten.

Kinder wollen MITMACHEN, dabei sein

Selbst das recht umfangreiche Prozedere des Aus- und wieder Zusammenpackens konnte mit Leichtigkeit von statten gehen weil Mause alles vom Hochbett aus beobachten, kommentieren und uns dabei mit Kuscheltieren bewerfen konnte. Ich glaube, sie fand es toll, dass keiner irgendwo hin abhauen konnte, wie das zu Hause so oft der Fall ist.

Auch Johnny lag mittendrin und brabbelte fröhlich vor sich hin. Zudem stellten wir fest, dass es wichtig ist, Mause irgendwie einzubinden und ihr kleine Aufgaben zu geben; etwas tragen, holen, auf etwas aufpassen. Sie war richtig stolz, Teil unseres Abenteuers zu sein und machte für eine Zweijährige mitten in der Trotzphase (oder Autonomiephase, wie es jetzt neuerdings heißt) richtig gut mit.

Die einzige Kinder-Schwachstelle:

Das nicht vorhandene Entertainment im Anhänger. Die erste Fahrt nach einem bewegten Vormittag haben die beiden jeweils genüsslich verschlafen und wir konnten viele Kilometer machen. Doch nach der Mittagspause hatte Mause schlichtweg Langeweile und forderte mehrere Kurz-Pausen ein, sodass wir nur schleppend voran kamen. Deshalb kauften wir vorgestern einen bunten Kinder-Kopfhörer und bespielen jetzt meinen alten Mp3-Player mit Kinderliedern, in der Hoffnung, dass sie Spaß daran findet. Wir werden sehen, ob der Plan aufgeht oder wir uns mit der zerpflückten zweiten Fahr-Phase arrangieren müssen.

Fazit und Countdown

Alles in allem hat uns die Probetour nicht nur schlauer gemacht sondern auch zusätzlich motiviert. Denn: wir hatten in etlichen Situationen ein fettes, energiespendendes Grinsen im Gesicht und haben uns selbst gefeiert für das, was wir da machen. Es war für uns – trotz Venusberg – wirklich beflügelnd, endlich auf dem Sattel zu sitzen und „unser Ding“ zu verwirklichen.