Bei einer Familien-Radreise ist es das A und O, alles was man mitnehmen möchte mindestens zehn Mal nach den Kriterien Gewicht und Nutzen zu bewerten. Meine Haare fielen bei beidem durch und mussten heute konsequenterweise ab.
Okay, ab ist übertrieben. Schulterlang ist meine neue Reise-Frisur. Natürlich habe ich dadurch nur ein paar Gramm liegen lassen aber, ob man es glauben mag oder nicht, auch ein schwerer Zopf kann belasten und auch nerven weil er nicht gut unter einen Helm passt und das Mikrofaser-Handtuch nach dem Duschen unnötig nass macht. Es war wunderbar heute beim Friseur: wie ein symbolischer Akt, um mich auf das Loslassen und Dalassen einzustimmen. Mit jedem Schnipp wurde ich leichter und als dann noch „Hey Jude“ von den Beatles im Hintergrund lief, überkam mich ein wohliger Schauer der Vorfreude und Zuversicht; „Na-na-na, Nanananaaa…“, wir können alles schaffen, VOLL Bock!
Ausmisten vor dem Aufbruch
Auf dem Vintage-Friseurstuhl, ohne Baby und Ablenkung aber Zeit zum Nachdenken, wurde mir bewusst, wie präsent das Thema Besitz und Ballast bei uns gerade ist. Einerseits weil wir uns täglich mit Reise-Equipment beschäftigen und uns immer und immer wieder die Frage stellen: Brauchen wir das wirklich? Andererseits weil wir mitten in einem großen Ausmiste-Projekt stecken. Wie so viele, habe ich das Buch von der Queen des Entrümpelns, Marie Kondo, gelesen. Auch mich hat sie infiziert mit der Lust am Loslassen und dem verlockenden Ziel, sich nur noch mit Dingen zu umgeben, die man liebt und/oder wirklich braucht. Seit dem heißt es bei uns zu Hause ständig: „Does this spark joy?“
Auch die Kleinen machten mit
Ich hatte während der Schwangerschaft mit Johnny, im Rahmen des Nestbau-Triebs bereits ausgiebig ausgemistet aber mit der sogenannten KonMari-Methode und der entsprechenden Einstellung fliegt dann nochmal doppelt so viel raus. Mit dem Ergebnis, dass wir in den letzten zwei Monaten jede Woche etliche Säcke und Kartons zum roten Kreuz, sozialen Projekten oder zum Wertstoff-Hof gebracht haben. Für Mause ist das jetzt fast schon Normalität. Auch sie gab bereits das eine oder andere Bilderbuch ab, damit ein Kind, das nicht so viele Bücher hat, es mit seiner Mama abholen kann (ihre Worte).
Haben heißt tragen
Man könnte meinen, dass das vielleicht ein Großprojekt zu viel ist, wenn man gerade eine lange und besondere Reise plant aber nein! Es passt für uns sogar hervorragend zusammen. So wie das Haareschneiden, trägt das Ausmisten zu einem Gesamt-Gefühl des leicht und damit beweglich Werdens bei. Denn ich bin überzeugt; alles was wir besitzen, tragen wir in gewisser Weise immer mit uns herum, auch wenn es im Keller versteckt vor sich hin modert. Spätestens bei jedem Umzug wird es den meisten von uns bewusst, dass es tragen ist, was mit haben einhergeht (und den Umzugshelfern auch). Ebenso kennen wir das beflügelnde Gefühl nach dem Entrümpeln; als ob man durch diesen Prozess auch innerlich leichter geworden wäre.
Reisen mit leichtem Gepäck
Durch das achtsame Ausmisten setzt man sich mit den eigenen vergangenen (Fehl-)Entscheidungen auseinander und kann seinen Frieden machen, loslassen und offen werden für Neues. Ebenso trainiert man quasi hunderte Male, zu fühlen und zu entscheiden, was man wirklich will und was nicht. Wir werden auf der Reise also nicht nur bei Gegenwind und bergauf dankbar sein für leichtes Gepäck, sondern vielleicht auch bei unserer Suche nach Antworten vom inneren Raum, der Klarheit und Offenheit profitieren, die schon zu Hause entstanden sind.
Bis es soweit ist, sind wir erst einmal gespannt auf alle Erkenntnisse, die wir dieses Wochenende auf unserer Generalproben-Tour nach Bonn gewinnen werden.