Friluftsliv – reconnecten auf Norwegisch

Mir ist es immer noch schleierhaft, warum diese wundervolle norwegische Lebensphilosophie anders als das dänische Hygge und das schwedische Lagom noch keinen Trend ausgelöst hat. Ich beschäftige mich seit rund zwölf Jahren mit diesem Thema und möchte ihm nun zu ein wenig mehr Ruhm verhelfen. Ich versuche mich dabei – ganz nach dem Motto von Friluftsliv – auf das Wesentliche zu beschränken.

Was ist Friluftsliv?

Friluftsliv ist für viele erst einmal eines: schwer auszusprechen :-). Da helfe ich gerne. Gesprochen Frie-lufts-lief ist ein skandinavischer Begriff und bedeutet ins Deutsche übersetzt etwa: Freiluftleben.

Friluftsliv bedeutet draußen in der Natur zu sein

Dieser Begriff, ähnlich wie Hygge, ist sehr individuell und vielseitig interpretierbar. Je nach dem, ob ich eine dänische, schwedische oder norwegische Person frage, was Friluftsliv für sie ist, würde ich unterschiedliche Antworten bekommen. Nennen die meisten schwedischen und dänischen Personen eigentlich jede Art von Outdoor-Aktivität, so wird der/die Norweger*in auf die Frage hin wahrscheinlich tief seufzen, lächeln und eine Weile erzählen. Hier ist Friluftsliv mehr. Viel mehr.

Friluftsliv bedeutet eine tiefe Beziehung zur Natur einzugehen

Es ist eine Philosophie, ein ganzheitlicher Lifestyle. Es ist Geschichte und Kultur, tief verankert in dem Selbstverständnis einer ganzen Nation. Ein Grundsatz-Wert, der sich bis in die Politik und konkrete Gesetze hinein zieht. Zum Beispiel basiert das sogenannte Allemannsretten, das jeder Person erlaubt, sich in der Natur aufzuhalten, dort auch zu lagern und zu übernachten, auf Friluftsliv. Natürlich unter der Voraussetzung, dass keine Spuren und Schäden hinterlassen werden.

Friluftsliv ist ein reiches Leben mit einfachen Mitteln

Aber was ist es denn nun genau? Angesichts einer klaren Definition sind bisher viele gescheitert oder gar aneinander geraten. Ich biete dir lieber diese 6 Sätze an, die in der Fachliteratur immer wieder auftauchen. Vielleicht schaffen sie es, das Gefühl hinter dem Konstrukt zu vermitteln.

Friluftsliv heißt „nach Hause kommen“

Mehr oder weniger typische Friluftsliv-Aktivitäten sind: Gehen (!), Wandern, Feuer-machen und drumherum Sitzen, Biwakieren, Zelten, Laufen, Kajak-fahren, Picknicken, Fahrrad fahren, Grillen, Pilze-/Beeren-Sammeln, Ski-Langlauf, Sitzen und Wahrnehmen. Das alles für sich alleine oder in der Gemeinschaft in möglichst ursprünglicher Natur.

Friluftsliv bedeutet: sich in die Natur einfügen, möglichst wenig Spuren hinterlassen

Alle genannten Aktivitäten haben im Sinne des Friluftsliv gemeinsam, dass es primär um das Mensch sein in und mit der Natur geht und nur untergeordnet darum, was man konkret tut. Eine Alpenexpedition, ebenso wie Pilze-Sammeln können aber müssen nicht unter Friluftsliv fallen. Entscheidend ist die Einstellung, mit der man unterwegs ist: Die Natur ist nicht Mittel zum Zweck sondern stellt einen Wert an sich dar. Man selbst versteht sich als einen Teil der Natur.

Friluftsliv meint einen naturfreundlichen, nachhaltigen Lebensstil ohne Konkurrenzkampf und motorische Hilfsmittel

Als ich Friluftsliv damals in einem Seminar im Sportstudium kennenlernte, glich das für mich einer Offenbarung. Seit dem hat sich mein Leben verändert, kann ich sagen. Nicht über Nacht aber ganz allmählich und nachhaltig, wie durch viele kleine Schritte einer Wanderung, die mich seit dem in eine neue Richtung tragen. Ich freue mich sehr darauf, Friluftsliv in weiteren Artikeln meine tiefe Dankbarkeit zu erweisen.

Quelle dieses Beitrags:
Liedtke, G., Lagerström, D. (Hrsg.): „Friluftsliv – Entwicklung, Bedeutung und Perspektive“, Edition Sport & Freizeit, Band 17, Meyer & Meyer Verlag, Aachen, 2007