Mein Buch ist fertig!

Vor neun Monaten wagte ich, mein bisher größtes kreatives Projekt in Angriff zu nehmen. Ein Buch. Ja, ein eigenes Buch Über ein Thema, dass mich zu tiefst bewegte und immer noch bewegt – das feministische Mutter Sein. Und jetzt ist es tatsächlich fertig. Wow.

Sowohl in den Mami-Ratgeber-Regalen, als auch auf den Feminismus-Sondertischen der Buchläden vermisste ich nämlich zunehmend eines: mich. Da war und ist eine Lücke. Ein Defizit an Literatur, die Frauen und Mütter wie mich wirklich, wirklich abholt. Es fühlte sich tatsächlich ein bisschen so an, als ob das Thema von mir behandelt werden wollte und nicht umgekehrt. Als mich meine spätere Agentin bei unserem Kennenlernen fragte, wo ich meine Entschlossenheit, dieses Buch zu schreiben, auf einer Skala von eins bis zehn einordnen würde, sagte ich ihr „elf!“ und meinte es auch so.

Und trotzdem diese Angst

Mein Drang, dieses Buch zu schreiben war jedoch genauso groß wie meine Angst davor.
Das Schreiben selbst war nie das Problem. Schreiben war schon immer mein Weg, um im Leben klar zu kommen. Ein Versuch, mich selbst, Andere und alle Geschehnisse zu verstehen und zu verarbeiten – ein Akt des Sinn Machens. Die leeren Seiten hörten mir zu und ich fand Trost und Hoffnung in meinen Zeilen. Ich konnte mir aber nie, nie vorstellen, dass meine Worte einmal dafür geeignet sein könnten, von anderen Menschen gelesen zu werden. Texte mit diesem Hintergedanken zu schreiben war eine ganz andere Nummer. Eine sehr beängstigende Nummer. Kann ich das? Darf ich das? Was bilde ich mir ein?

Wie ich mein schreiberisches „Zuhause“ fand

Meine ängstliche, kreative Starre begann sich zu lösen, als ich durch Zufall davon erfuhr, dass es für meine Moni-Art des Schreibens ein eigenes Genre gibt – den literarischen Essay. Eine Sammlung an Aufsätzen über ein übergeordnetes Thema, die eine Art lautes Denken darstellen. Eine Person, die Essays schreibt, erhebt keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit. Sie predigt nicht, überhebt sich nicht und will auch niemandem wohlgemeinte Ratschläge erteilen. Ihr Ziel ist es, ihre Leser*innen mitzunehmen auf ihre gedankliche Reise. Sie lädt dazu ein, sie bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema zu begleiten. Sie will ihre Schlussfolgerungen nachvollziehbar machen und im besten Fall Ausblicke, Vorschläge skizzieren, die Mut machen und zum eigenen Um- oder Weiterdenken inspirieren. Ich LIEBE das, bekomme Gänsehaut während ich diese Zeilen schreibe.

Typische Chamäleon Probleme

Aber schauen wir zurück. Warum dieser Drang und diese Angst? Nun, wie wir wissen identifiziere ich mich ja mit einem Chamäleon, das gesehen werden möchte. Mit diesem tragisch-komischen Tierchen.
In mir brennt schon lange – vielleicht schon immer – ein Feuer, das mich dazu antreibt, zu wirken, zu kreieren, zu inspirieren, mich zu zeigen, meine Gedanken und Wahrheiten laut auszusprechen. Gleichzeitig haben viele verschiedene Umstände meiner Biographie dazu geführt, dass ich mein Verhalten schon sehr früh auf Anpassung und Integration ausrichtete. Nicht dazu zu gehören, ausgeschlossen zu werden, nicht normal, nicht gut zu sein – davor hatte ich immer schon am meisten Angst. Ich machte meinen Selbstwert fast ausschließlich von der Bewertung durch Andere abhängig, hatte kaum Vertrauen in mein eigenes Urteil. Bis heute ist es so, dass mein komplettes System sofort höchst alarmiert ist, wenn die Gefahr droht, dass irgendeine Person enttäuscht von mir sein, mich nicht mögen oder sauer auf mich sein könnte. Ich kann dann oft an nichts anderes mehr denken und will es sofort wieder gut machen. Mich wieder gut machen.
Der größte Leidensdruck eines Chamäleons wie mir resultiert aus einem Gefühl der inneren Leere. Es lebt das Leben einer Hülle, die so leicht zerrissen werden kann wie ein altes Herbstblatt. Keine feste, dichte Substanz scheint es von innen heraus zusammenzuhalten.

Ein Entschluss: Ich will nicht verglühen

Doch ich bin dankbar für das sture Feuer in mir, das mich zumindest immer wieder mal mit Hitze auffüllt und mich daran erinnert, dass da sehr wohl Substanz ist; ein fester, ungeduldig vibrierender Kern, der mich endlich ausfüllen und in Resonanz gehen möchte mit dem Außen.
Dass dies nicht nur ein Wunsch ist, sondern ein Drang, liegt an einer großen Gefahr, die ich begann wahrzunehmen. Die Gefahr, dass ich endgültig verglühen könnte, wenn ich nicht bald damit beginne, mich auszudrücken und all die Energie zu verwandeln.
Je älter ich werde, je mehr Verantwortung ich trage, desto mehr fühle ich also diesen Drang, die Sehnsucht und sogar Verpflichtung, mein Chamäleon-Dilemma zu überwinden, um die zu werden, die ich bin. Zumindest allmählich. Von mir aus darf es mein ganzes restliches Leben dauern, solange ich das Gefühl habe, dass es in die richtige Richtung geht. In Richtung Freiheit und Liebe.

Mein Geheimrezept zum Weitermachen.
Gegen alle Widerstände

Jetzt, da ich die Zeilen dieses Artikels (eine angepasste Version meines Vorwortes, hihi) verfasse, ist das Buch fertig. Wie habe ich es geschafft? Der dringende Entschluss war die Grundlage, doch damit fing der Spaß erst richtig an. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Vorhaben verfluchte, abwertete und abbrechen wollte. Wie oft ich mich selbst nach allen Regeln der Kunst dafür verachtete, wie anmaßend, naiv und schlecht ich doch bin. Ich konnte all dem nur mit einer Sache begegnen: Sturheit. Ich sagte mir hunderttausend Mal, dass ich es trotzdem machen werde. Trotz der größten Angst, dem vernichtendsten Hass und den schlimmsten Zukunftsszenarios. Trotz Allem.

Die Entdeckung der Aufrichtigkeit

Die Energie, um diese Sturheit aufrecht zu erhalten zog ich aus meiner relativ neu gewonnenen Überzeugung, dass Aufrichtigkeit einen Wert, eine Tugend an sich darstellt. Die Philosophie hat mir diesen alles verändernden Gedanken geschenkt. André Comte-Sponville schreibt, dass Aufrichtigkeit die Übereinstimmung von Tat und Wort mit dem Seelenleben meint. „Sie erfordert […] ein Höchstmaß an Wahrheit, ein Höchstmaß an Authentizität und folglich ein Minimum an Blendwerk oder Verstellung“. Da muss das Chamäleon erst einmal schlucken.
Durch Aufrichtigkeit würde man zum wahrhaftigen Menschen, der sich selbst liebt, wie er ist und nicht wie er gesehen werden will. Solch ein Mensch bemüht sich mehr um die Wahrheit als um sein Ansehen. Er besitzt Edelmut.

Das traf einen Nerv in mir

So will ich sein! So will ich schreiben! Es ist genau das, was ich an bestimmter Literatur liebe – wenn sie aufrichtig ist, sich so gut es geht an das Echte annähert. Und hier, wo das annähernd Echte geteilt wird, kann wahre Verbundenheit entstehen, Kraft, Trost und Mitgefühl transportiert und Geborgenheit vermittelt werden.
Aufrichtigkeit ist mir zum Leuchtturm geworden, auch wenn ich zugebe, dass ich mit meinem People Pleaser-Bötchen oft noch weit weg davon hilflos in den Wellen schaukle. Auch in meinem Buch wird es wohl zu bemerken sein, wie ich kämpfe und manchmal meinem Drang, gefallen zu wollen nachgeben musste, nur um dann wieder krampfhaft zeigen zu wollen, dass mir die Meinung der Leser*innen angeblich egal ist. Jaja, ich bin erst am Anfang.

Lösung und Heilung zugleich: Etwas finden, das mir wichtiger ist, als mein Ego

Wichtig ist, dass es mir die Entdeckung und Wertschätzung der Aufrichtigkeit überhaupt erst möglich gemacht hat, die Sturheit aufzubringen, trotz meiner Ängste weiter zu schreiben. Sie ist nämlich wichtiger als Ich. Wichtiger als mein Ruf. Wichtiger als mein Erfolg. Wichtiger als mein Dazugehören. Jedes bisschen Aufrichtigkeit heilt diese Welt. Und nebenbei auch mich selbst.
Und wann immer ich dennoch drohte, in den Wellen der Selbstablehnung zu ertrinken, zog ich mich an einem dicken, alten Tau von Mut machenden Zitaten großartiger Menschen wieder über Wasser. Allen voran jene der fantastischen Virginia Woolf: „Schreiben Sie, was Sie schreiben wollen. Alles andere ist nebensächlich.“

Bin ich jetzt eine Autorin?

Keine Ahnung. Meine Agentin von der Pageturner Production sagte mir heute bei unserem monatlichen Call jedenfalls: „du bist eine Autorin!“ und zwar mit Nachdruck. Sie glaubt an mich und das Buch und arbeitet nun mit Hochdruck daran, einen Verlag für mich zu finden. Ich muss mich unterdessen in Geduld üben und meinen Fokus darauf richten, dass es ein großes Ding an sich ist, ein Manuskript überhaupt fertig zu stellen. Stolz sein und mich selbst feiern sind Dinge, die mir unglaublich schwer fallen aber was soll’s – ich mach es einfach trotzdem! Prost, ihr Lieben!
Auf MICH :-D!