Gibt es Mutterkunst?!

Es gibt einen Muttertag, es gibt den Mutterschutz, den Mutterpass, den Muttermund und Mutterkuchen. Aber gibt es auch Mutterkunst?

Gestern war ich seit Ewigkeiten mal wieder laufen. Die bei Tageslicht überfüllten Parkwege Kölns haben mir in letzter Zeit leider eine weitere Ausrede gegeben, mich gegen eine Jogging-Runde zu entscheiden. Es ist mir einfach zu stressig. Ständig ausweichen und die Luft anhalten, um niemanden ins Gesicht zu atmen. Zu allem Überfluss bin ich dabei fast blind, weil ich derzeit keine Kontaktlinsen parat habe. Aber trotzdem tat es mir gestern sehr gut und ich hatte eine Eingebung für diesen Artikel.

Immer diese Ambivalenz

In ein paar Tagen wird diese Homepage online gehen und vermutlich wird das niemand außer einer Hand voll Freunde mitbekommen aber dennoch bin ich nervös. Warum? Auf der einen Seite habe ich große Freude daran, mich kreativ auszudrücken und das auch nach außen zu zeigen. Auf der anderen habe ich Angst davor, missverstanden und in der Folge schlecht beurteilt, gar verurteilt zu werden. Es kostet mich momentan noch viel Energie, meine Ideen immer wieder trotzdem zu verwirklichen. Trotz aller Gefahren, die lauern, wenn man sich selbst hinein begibt in dieses klebrige Internetz voller anonymer Spinnen.

Was sagen die Suchmaschinen?

Mir ist gestern beim durch den Schneematsch laufen bewusst geworden, dass ich nicht sicher bin, wie es aufgenommen wird, wenn eine Mutter sich als Kunstschaffende präsentiert. Also nicht einfach eine Künstlerin, die auch zufällig Mutter ist, sondern eine Frau, deren Muttersein zumindest teilweise explizit in ihren Werken stattfindet. Mir ist bisher auch noch keine wirkliche Mutterkunst begegnet. Moment. Ich befrage mal eine Suchmaschine.

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Also, wenn ich den Begriff „Mutterkunst“ eingebe, finde ich Seiten, die sich mit der Darstellung von Müttern in der Kunst, also Müttern als Kunst-Objekt beschäftigen. Ein paar Treffer auf Pinterest gibt es, to be fair, die Mutterschaft künstlerisch, malerisch darstellen – einige davon sogar ohne Kitsch-Slogans wie „Super Mom“. Okay. Aber warum bleibt in mir dieses Gefühl, dass eine Mutter eigentlich nur eine Mutter sein darf? Dass alles daneben, jede andere identitätsstiftende Tätigkeit von diesem fetten Rollen-Ballon an den Rand gedrückt wird?

Malt eine Mutter, dann wird es zum Hobby degradiert, zur nützlichen Fähigkeit, um nette Einladungskarten und Kinderzimmerbilder zu zaubern. Schreibt eine Frau als Mutter, dann vielleicht in ihr Tagebuch oder einen Blog, der dann aber vorrangig klassische Mama-Themen bedienen sollte, oder? ODER?

Nice Try, Mommy

In dem Moment, so fühle ich es, indem eine Mutter als Künstlerin, Schriftstellerin, Fotografin, Designerin, Tänzerin oder Architektin richtig ernst genommen und anerkannt werden will für genau das, was sie da tut, muss ihr Muttersein in den Hintergrund rücken. Sobald sie diese Eigenschaft in den Schaffensprozess und ihre Außendarstellung integriert, legt sich automatisch ein belächelnder Schleier der Banalität, des Laienhaften, des „Nice Try“ darüber. Warum?

Welchen Einfluss hat das traditionelle Bild?

Die Antwort könnte einfach sein. Weil ein traditionelles, stereotypes Mutterbild vorsieht, dass die Mama 99 % der Haus- und Care-Arbeit erledigt und das bedeutet, dass sie für nichts anderes Zeit hat. Und ohne Zeit gibt es keine Kunst. Und auch keine ausgefeilten, sich stets entfaltenden Fähigkeiten in einem künstlerischen Handwerk. Ausgenommen alle Skills, die der Familienversorgung direkt dienlich sind, wie das Nähen zum Beispiel.

Es braucht Zeit und Raum

Auch sieht dieses Bild keinen Raum für Mütter vor, in dem genug Platz und Ruhe für Kunst zu finden ist. Wie schon Virginia Woolf postulierte, brauchen Frauen neben finanzieller Unabhängigkeit ein Zimmer für sich allein, um Literatur produzieren zu können.
Ich schreie mir jetzt quasi selbst entgegen, dass dieses traditionelle Mutterbild längst überholt ist und es unendlich viele Beispiele von starken, charismatischen Working-Mums und Business-MILFS gibt. Dass ich da wohl den Schuss einfach nicht gehört habe und alle Welt längst cool und kreativ ihr Ding macht.

Nur mein Problem?

Ich hebe die Hand zu einem nonverbalen Stopp, schließe die Augen und sage zu mir selbst: „Nein. Leider nein, meine Liebe“.

Diese bewundernswerten Leuchttürme sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Die Regel, dass das Muttersein, dass Mütter keinen selbstverständlichen Platz in Kunst und Kultur haben. Und der deutlichste Hinweis dafür ist meine eigene innere Kultur. Ich selbst empfinde es immer noch als seltsam unpassend, empfinde mich und meine Projekte streckenweise als peinlich, muss mich fast täglich daran erinnern, dass ich es darf: eine Kunstschaffende zu sein. Nicht nur trotz sondern mit meinem Muttersein.

Nachtrag: Weniger meckern, mehr machen

Kurz nachdem ich diesen Artikel fertig schrieb, stieß ich auf die kanadische Künstlerin Brandi Hofer. Sie ist wirklich die Erste, die ich als jemanden wahrnehme, der eine eigene Form der Mutterkunst gefunden und offensichtlich auch salonfähig gemacht hat. Ich finde ihren Ansatz extrem inspirierend, weil sie die Dualität zwischen ihrem Mutter sein und Künstlerin sein sehr charmant und kreativ auflöst.

Ungerechtigkeiten und Dysbalancen festzustellen ist wichtig aber das alleine reicht nicht aus, um Veränderungsprozesse anzustoßen. Vielleicht geht es, wie auch an anderer Stelle, vor allem darum als Frau und Mutter ins mutige Machen zu kommen, trotz oder gerade wegen allem, was uns nicht passt.