Neustart – alternatives Wohnen

In meinem Zimmer hallt es ein wenig, weil wir bereits einige Möbel verschenkt haben. Gemütlich ist anders aber ich genieße diesen Zustand trotzdem. Es kribbelt. Eine große Veränderung steht an.

Wahrscheinlich die bisher größte Veränderung meines Lebens, wenn wir die Geburten meiner Kinder mal außen vor lassen. Ich wurde in Köln geboren, im sogenannten Klösterchen in der Südstadt – ich darf mich offiziell ne echte kölsche Mädche schimpfen, worauf ich meist anerkennende Blicke erntete, wenn ich es erwähtne. Dass meine Eltern aus Polen stammen, spielte an diesem Punkt nie eine Rolle.

Köln ist meine Heimat

Köln war und ist das einzige, das mir als Mensch mit Migrationshintergrund patriotische Gefühle entlocken kann – einfach weil die ganze Stadt gepflastert ist mit Kaugummi-Flecken meiner Erinnerungen. In sieben verschiedenen Veedeln habe ich bereits gewohnt und überall meine Duftmarken hinterlassen (insbesondere in jenen Zeiten als zu Karneval noch nirgendwo Dixi Klos aufgestellt wurden…). Ich müsste lügen, um zu behaupten, es würde mich absolut kalt lassen, dass wir in knapp zwei Wochen nach Hessen ziehen, in ein klitzekleines Dorf, dessen Infrastruktur aus einem Briefkasten und einer Bushaltestelle besteht.

Eine Liebeserklärung zum Abschied

Ich liebte es, dass Köln mich (zumindest vor der Pandemie) immer zu überraschen wusste. „Ach, guck mal, ein Straßenfest/ eine Demo/ ein Marathon/ ein neuer Rewe!“ Ich liebte es, an Weiberfastnacht frisch verkleidet zu einem gemeinsamen Frühstück mit Mettbrötchen zu fahren und dabei zu bemerken, dass ich doch wieder voll Bock auf Karneval habe. Ich liebte es, dass ich hier mit dem Fahrrad ÜBERALL in spätestens 30 Minuten hin komme. Ich liebte alle Treffen am Rhein und erinnere mich gerne an die Eskapaden und Partynächte meiner Jugend- und Studizeit.

Freuden einer Großstadt-Mama

Als ich 2016 das erste Mal Mutter wurde, liebte ich es dann auch, dass ich meine Kinder innerhalb eines Radius von einem Kilometer nicht nur zur Welt, sondern darauf folgend auch zum Kinderarzt, Zahnarzt, zur Musikschule, zur Kita und zu sechs verschiedenen Spielplätzen bringen konnte. Ich liebte all das Unkomplizierte, Spontane. Ich liebte die Gänsehaut, jedes Mal wenn ich nach einer längeren Abwesenheit zurück kam und den Dom erblickte. Hach…du köstliche Nostalgie!

Warum wir trotzdem wegziehen

Da drängt sich die Frage auf, wieso zur Hölle ich dieses Paradies, diese meine Heimat denn verlassen möchte und werde. Eigentlich ist die Antwort simpel. Eine Möglichkeit tat sich auf und sie fühlte sich richtig an. Mein Mann und ich spürten mehrere Monate in uns hinein und es stellte sich allmählich eine intuitive Sicherheit ein, dass hier der nächste Schritt unseres Weges wartet. Ein Weg, der für Andere nicht nachvollziehbar sein muss, solange er dieses tiefe, warme Gefühl der Stimmigkeit in unseren Bäuchen auslöst.

Vorgeschichte: eine ungewöhnliche Reise

So war es auch 2019 als wir in unserer gemeinsamen Elternzeit mit unseren zwei Kindern eine Fahrradreise von Köln nach Eckernförde unternahmen. Wir wussten einfach, dass wir dieses Abenteuer wagen wollen und dass es wertvoll für uns sein wird, egal wie es ausgeht. Ausgerechnet die Komplikationen auf dieser Reise führten dazu, dass wir damals unsere Pläne an einem bestimmten Punkt änderten und einen Monat auf dem besagten hessischen Hof meiner Freundin verbrachten. So konnten wir uns ein sehr realistisches Bild des Lebens dort machen und unsere Entscheidung ein Jahr später sehr „fundiert“ treffen.

Vorfreude auf das Neue, das Andere

Wir freuen uns auf unsere gemütliche Erdgeschoss-Wohnung, die Gärten, ein großes Gelände mit Scheunen, Dachböden, Nischen zum selbstbestimmten Spielen und Herumstreunen für unsere Kinder. Wir freuen uns auf Begegnungen in den Gemeinschaftsbereichen und Abende am Lagerfeuer. Wir freuen uns darauf, erste Garten-Skills zu entwickeln, unsere Finger in die Erde zu stecken.

Wir sind neugierig auf Synergien, die entstehen können, wenn viele kreative Menschen auf einem Haufen leben. Wir sind bereit, auch alle möglichen Konflikte und Herausforderungen in Kauf zu nehmen und ihnen konstruktiv zu begegnen. Wir wissen, dass wir daran wachsen werden.

Ich persönlich freue mich auch auf alles, was ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen kann, das Unerwartete und auf neue Facetten meines Selbst, die dort erblühen werden und andere, die ich vielleicht ablegen oder transformieren werde. Aufregend!

Gewappnet für Zweifelattacken

Natürlich antizipiere ich Momente, in denen ich mein Köln und das Großstadtleben vermissen werde. Momente, in denen ich mich fragen werde, ob das alles die richtige Entscheidung gewesen ist. Aber ich weiß mittlerweile auch, was ich in solchen Momenten tun muss: Am besten erst eine Runde meditieren und mir dann bewusst machen, dass es absolut sinnlos ist, sich solchen Fragen hinzugeben, denn:

Es gibt keine Fehler, nur Erkenntnisse

Und basierend darauf fällt man seine neuen Entscheidungen für die Zukunft, nimmt Anpassungen vor oder orientiert sich neu. Anders geht es nicht. Dieser Gedanke beruhigt mich, wenn ein Dom-Blick aus meinem Fenster mich allzu wehmütig werden lässt.

Ich werde berichten :-).